Tolkien hätte sich kaum eine schönere Landschaft für seine Romane ausdenken können – und kaum Geschöpfe, die besser in einen Epos hineinpassen würden, wie die Carneddau-Ponies. Wenn sie in Herden im Nebel durch die Carneddau-Berge und Hochebenen ziehen, wirken sie wie eine Erscheinung aus einer anderen Zeit. Rund 200 Quadratkilometer gross ist ihr Zuhause das knapp 1000 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Es macht gerade einmal ein Zehntel des walisischen Snowdonia Eryri National Park in Nordwales aus.
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Mit ihren 110 cm bis 120 cm Stockmass und ihrem kurzen, dünnen Hals, haben sie wenig mit den englischen Reitponies gemein, die weltweit zu Importschlagern wurden. Gott sei Dank. Die Geschichte hat diese Rasse oftmals verschont. So auch davor, vollständig domestiziert und auf die Bedürfnisse von Menschen zurechtgezüchtet zu werden.

Carneddau Ponies: die Art, die keine Rasse ist
Dabei sind die Carneddau Ponies formal gesehen gar keine Rasse. Denn es gibt weder ein Zuchtbuch noch fest definierte Rassestandards. Auch wenn ihre auffällig breiten Stirn, die grossen Augen und eine sensationell lange Mähne als typisch gelten, mussten sie nie einem Idealbild entsprechen. So blieben sie so schön einzigartig, wie die Natur sie geschaffen hat. Die hat entschieden, dass überwiegend Schimmel, aber auch Füchse und ein paar braune Ponies in die Cardennau Gebirge passen. Dort leben sie, halb wild, im Sommer wie im Winter in kleineren und grösseren Herdenverbänden. Die Besitzer der umliegenden Farmen sind für ihr Wohlergehen verantwortlich.

Einer von ihnen ist Gareth Wyn Jones, Vorsitzender der Carneddau Pony Society und dank seiner TV- und Social Media- Präsenz der wohl prominenteste Farmer der Region. Zusammen mit den anderen traditionellen Farmerfamilien treibt er die Herden einmal im Jahr im Spätherbst zur Bestandsaufnahme zusammen. Ihren Ursprung hat diese Tradition in der Tudor Zeit. König Heinrich VIII erliess 1535 und 1541 Gesetze zur Weidehaltung, nach denen alte und kranke Tiere entfernt oder wie damals üblich auch gekeult wurden.

Status “gefährdet”
Nur 300 Ponies ihrer Art existieren heute noch. Diese Zahl ist so gering, dass auch der “Rare Breed Survival Trust”, die Rasse, die offiziell keine ist, inzwischen als gefährdet einstuft. Ein Status, mit dem noch mehr für ihren Erhalt getan werden kann. Dies ist wichtig, denn die Gene des Carneddau Ponies sind einzigartig. Bereits zu Zeiten der Kelten bewohnten die Carneddau Ponies die walisische Landschaft. Doch während ihr nächster Blutsverwandter, das Welsh Mountain Pony, Arabern und Berbern gekreuzt wurde, um grössere, elegantere und reitbarere Pferde zu erhalten, haben sich die Carneddau Ponies seit mehr als 3.000 Jahren kaum verändert. Das betrifft nicht nur ihre äusseren Merkmale, sondern auch ihre Widerstandsfähigkeit, die ihnen das Überleben in der freien Natur sichert, und ihre Futter Präferenzen.

Wichtig für Landschaftspflege und Biodiversität
Die Herden grasen Pflanzen ab, die als invasiv gelten und fördern so das Wachstum der einheimischen Spezies. Und selbst ihre natürlichen Hinterlassenschaften (als halb wild lebende Pferde werden sie nicht entwurmt) fördern als Dünger die Biodiversität und die Lebensgrundlage für einheimische Tier- und Pflanzenarten. Qualitäten, die mindestens so viel Wert sind wie ein perfektes Aussehen oder eine Top-Performance. Wenn nicht mehr.

Ein Besuch bei den Carneddau Ponies
Die nächstgelegenen Flughäfen sind Manchester oder Liverpool. Der Flughafen Manchester ist wesentlich größer als Liverpool und hat einen Bahnhof in der Nähe, von dem aus die Züge Richtung Nordwales nach Llandudno Junction oder Conwy fahren. Von Conwy aus führt eine Bahn und Busse direkt in die Carneddau Gebirge im Norden des Snowdonia Eryri National Parks. Hier leben die Ponies und sind mit etwas Glück auch anzutreffen. Die besten Chancen hat man auf dem Conwy-Berg und auf Wanderungen in der Nähe von Dwygyfylchi, Llanfairfechan, Penmaenmawr und manchmal auch im Ogwen-Tal. Wer es bevorzugt, den Parkt vom Landesinneren aus zu erkunden, sollte ein Paar Tage im idyllischen Betws y Coed verbringen.
