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Life & Style

Ganz weit oben

Spätestens seit die Serie „The Real Housewives of Beverly Hills“ auch bei Netflix läuft, wissen wir, dass man für einen Cowboyhut ein Vermögen ausgeben kann. Über ein Arbeitsutensil, das sich zum Luxusaccessoire hochgearbeitet hat.

Vor 200 Jahren reichte ein schnelles Pferd, um sich nach einer Schiesserei im Saloon unerkannt aus dem Staub zu machen. Zeugen musste der Sheriff erst ausfindig machen. Im Saloon der Neuzeit bleibt der social-medialen Öffentlichkeit kein Disput verborgen. Was für ein Glück für den Barbetreiber. Schliesslich darf PR auch gerne mal laut und peinlich sein.

Lisa Rinna
Die Real Housewives of Beverly Hills. Ganz in weiss: Kathy Hilton. Daneben im Hasenkostüm: Lisa Rinna.
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Als sich die wenig schmallippige Housewife Lisa Rinna und Kathy Hilton, Mutter der gleichnamigen Tochter Paris, darüber in die Wolle bekommen, welcher Tequila der beste ist, verschaffen sie einer exklusiven Boutique für Cowboyhüte in Aspen, Colorado, weltweite Aufmerksamkeit: Kemo Sabe beherrscht die mediale Inszenierung von Western-Wear wie der Rancher das Lasso. An der V.I.P.-Bar des Shops versammelt sich alles, was einmal über den Bildschirm geflimmert ist. Doch wie konnte es so weit kommen?

In Aspen, Colorado, kann man die Natur und den reichtum mancher Leute bestaunen.
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Der Weg des Cowboyhuts vom Proletariat der Viehzüchter in die Bourgeoisie war lang und staubig. Im 19. Jahrhundert, als man unter Arbeit noch eine körperliche Ertüchtigung verstand und Bohnen von Blechtellern löffelte, schützte er vor Sonne, Staub und Regen. Bis zu 12 Stunden sass ein Cowboy im Sattel. Er schlief unter freiem Himmel. Umso seltener hatte er die Möglichkeit, zu baden, sich sauber anzuziehen und eines der für diese Zeit typischen Etablissements zu besuchen. 

Das Leben als Cowboy ist kein Zuckerschlecken. Hut und Handschuhe bieten Schutz bei Wind und Wetter.
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Der erste Hutmacher, der es verstand, den Männern bei dieser Gelegenheit zu helfen, modisch aufzufallen, war John B. Stetson. Sein im Jahr 1865 entworfener “Boss of the Plains”, ein Modell aus Filz mit breiter Krempe, gilt bis heute als Prototyp des modernen Cowboyhuts. Einen prominenten Schritt zum ikonischen Accessoire machte der “Boss” in dem Edelwestern „High Noon“ von 1952, als er dem  breiten Publikum von niemand geringerem als der Westernlegende Gary Cooper vorgestellt wurde.

So sieht er aus, der Boss.
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In Cave Creek, einem 5000-Einwohner-Städtchen in Arizona, 30 Autominuten von Phoenix und weit genug von Aspen entfernt, hat sich ein Hutmacher mit besonders grosser Leidenschaft der traditionellen Hutmacherkunst verschrieben. Mit Original-Werkzeugen aus dem 19. Jahrhundert entstehen in Watson’s Hat Shop weltweit gefragte Massanfertigungen. Mit Namen der Kunden hält man sich zurück. Mit lautem Auftreten auch. Mit einer Stimme, die jede Casting-Agentur begeistern würde, gibt Inhaber Eric Watson in einem Video Einblick in sein Atelier. Alex Cabrera, angehender Hutmachermeister, erklärt am Telefon, dass der Herstellungsprozess nicht Stunden, sondern Tage dauert und viel Geschick und Geduld erfordert.

Alex Cabrera with Eric and Emily Watson in their traditional hat workshop. ©Watson’s Hat Shop

Nach der Auswahl des Materials, wie zum Beispiel Filz oder Leder, wird der Hut durch das sogenannte Blocken in Form gebracht. Bei diesem handwerklich anspruchsvollen Arbeitsschritt wird das Material über einen Hutblock gespannt und gedämpft. Anschließend erhält die Krempe durch Dämpfen und Pressen ihre Form. Beim Trimmen und Schneiden wird überflüssiges Material entfernt und die Breite der Krempe bestimmt. Der letzte Schritt ist die Veredelung. Cabrera stammt aus New York. Er kam als Kunde zu Watsons Hutgeschäft und blieb als Auszubildender. Der „Lehrling“, wie er bescheiden auf der Website genannt wird, tritt so zuvorkommend und distinguiert auf, dass man als Gesprächspartner gleich die eigenen Manieren auf den Prüfstand stellen möchte.

Watson’s Headshop fliegt unterhalb des PR- und Influencer-Radars. Er imponiert mit Diskretion und Streaming-Media-Referenzen ausserhalb des Reality TVs. So treten alle Hauptdarsteller des Westerns „Godless“ in einem echten Watson auf. Auch „Cole“ aus der SyFy-Serie „12 Monkeys“ trägt Watson. Im echten Cowboy-Leben ist Watson der offizielle Hutmacher der Arizona Reining Horse Association und der Arizona Cutting Horse Association. So sieht man die Hüte in ihrem ursprünglichen Umfeld – auf Auktionen, Rodeos und Westernturnieren.

Ob als Cowboy-Kostüm oder ehrlicher Arbeitseinsatz – entscheidend für den perfekten Look ist das zur Kopf- und Gesichtsform passende Modell. Die Kriterien für den optimalen Fit sind die Höhe der Krone und die Breite der Krempe sowie deren Form. Cowboyhüte sind Unisex-Hüte, jedoch gibt es spezielle Damenmodelle, die Cowgirlhüte, bei denen die vordere Krempe schmaler ist als die hintere. Dadurch wirkt das Gesicht schlanker. Helle Hutfarben und dekorative Elemente, wie auffällige Hutbänder, Federn, Stickereien, Silber- und Strassapplikationen verleihen den Hüten eine feminine Note.

Typisch Cowgirl – ein heller Hut mit bunten Applikationen.
© https://www.instagram.com/watsonshatshop

Ab 700 Dollar kostet eine Massanfertigung. Nach oben sind keine Grenzen gesetzt. Ein Beispiel: der Cowboy-, pardon, Cowgirlhut von Lady Gaga. Über eine Million Dollar soll das schwarze, mit Swarovski-Kristallen besetzte Modell gekostet haben, das sie 2016 bei einem ihrer Konzerte getragen hat. Mit Sicherheit eine schweisstreibende Arbeit.